2021 10 16 Ilhas Selvagens

Michèle berichtet!

Die Ilhas Selvagens sind in Sichtweite. 2nm vor der Ankerbucht, in der wir laut Permit ankern sollen, holen wir das Segel runter und müssen den Rest motoren. Leider liegen schon 2 Segelschiffe in der doch relativ kleinen Bucht. Davor, an einer Mooring, liegt ein großes graues. Es ist ein Marineboot welches aber, als wir uns nähern, Anstalten macht, abzulegen. Erstmal also dessen Manöver abwarten, dann rein in die Bucht. Wir könnten uns jetzt auch an diese Mooring legen, hat sie doch ihre Festigkeit bewiesen, aber das ist uns dort zu windig und auch noch zu weit vom Ufer weg. Also in die Bucht. Dort werfen wir den Anker neben einem Schiff, das dort an einer Mooring liegt – leider gibt es in dieser Bucht nur 2 Moorings (beide belegt von einem Schweden und einem Engländer). Unser Boot schwoit aber etwas zu nahe an Felsen unter Wasser, so dass wir beschließen, in einem Dreieck zu den beiden anderen zu ankern. Dort, etwas weiter in der Mitte der Bucht ist das Wasser auch nicht tiefer als hier, näher am Ufer. Gesagt getan.
Anker liegt. Dann hören wir auch schon die Engländer mit dem Warden funken, um eine Führung an Land zu bekommen (ohne die Wardens darf man nicht an Land). Als die fertig gefunkt haben, meldet sich Chrischan prompt per Funk zu ebendieser Führung an. Ungefragt natürlich. Da wir einen Tag zu früh da sind, haben wir noch 2 Tage Aufenthaltsgenehmigung und hätten somit auch die Möglichkeit einer Führung nur für uns oder zumindest in einer kleineren Gruppe. Nun ja, jetzt ist es halt so! Um 17:00 soll die Führung sein. Es ist jetzt 15:00, also noch genügend Zeit für einen Ankercheck und ein Käffchen!

Klar, wie soll es auch anders sein: Ankergrund nicht optimal! Sonst gibt es aber auch keine Möglichkeiten zum Ankern, also wollen wir einen Reiter auf die Ankerkette setzen. Will heißen: wir wollen 25 kg Blei an der Ankerkette befestigen, damit diese besser auf dem Boden liegt und damit das Schiff besser „trägt“.
Da wir das noch nicht vorbereitet haben, muss das jetzt geschehen! Also Flex raus, Malervlies ausgelegt, um ein kleines Stück von einer Reservekette abzuschneiden. Mit diesem Kettenstückchen soll dann das Gewicht an der Ankerkette befestigt werden. Wir flexen und flexen und die Funken springen und fliegen bis, ja bis, das Vlies Feuer fängt! Gerade noch rechtzeitig bemerkt und gelöscht. Gott sei Dank ist das Teak unten drunter aber nicht beschädigt. Ich gieße etwas Wasser über das Vlies, um weiteres Ungemach zu verhindern. Irgendwann ist die Kette durch und Chrischan kann ein Stück davon um das Gewicht legen. Nun heißt es das Gewicht anbringen. Das muss mit dem Beiboot erst mal an Ort und Stelle gebracht werden, damit das Gewicht beim späteren Tauchgang nicht noch ewig weit geschleppt werden muss. Die Zeit läuft dahin, nur mehr 30 Minuten bis zur Führung. Ich werde etwas nervös.
Unsere Notfall-Taucherflasche genommen: Leer! Die war doch gefüllt!?? Wegen Zeitdrucks schnell Ralfs altes Doppelpaket genommen, das liegt schon bereit. Chrischan taucht, um alles zu befestigen, kommt hoch, und ……… natürlich ist es damit nicht getan! Der Schäkelbolzen ist ihm zwischen die Steine gefallen und so muss ich auf die Schnelle einen anderen organisieren. Zweiter Tauchgang. Diesmal passt es und das Gewicht sitzt. Jetzt schnell fertigmachen für die Führung an Land.

Wir sind sogar noch die ersten; womit ich zwischenzeitlich gar nicht mehr gerechnet habe. Ich hasse es, wenn andere auf mich/uns warten müssen! Boot an Land; den anderen: 2 Familien , je ein Elternpaar mit insgesamt 5 Kindern, noch helfen an Land zu kommen. Dann……… warten bis alle Kinder geneigt sind an der Führung teilzunehmen. Gefühlt also nach 2 Stunden geht es los. Die Erklärungen des Wardens sind wegen des Geschreis und Gezeters der Kinder maximal zur Hälfte zu verstehen. Ich bin absolut tiefenentspannt und so richtig glücklich, dass mein Mann uns gleich zu dieser Führung angemeldet hat!!!!!!
Einiges bekomme ich aber doch mit! Auf diesem Stück Land gibt es insgesamt 3 Gebäude: die Garage für ein Boot, das Hauptgebäude mit Post, Polizei sowie Wardenbüro und -unterkunft. Und ein privates Haus. Jawoll, richtig gelesen: Polizei und Post gibt es hier! Wozu bloß? Dafür gibt es aber einen wichtigen Grund. Nicht etwa, weil es hier so viele Kriminelle gäbe, die ihren Freundinnen Liebesbriefe zukommen lassen wollten. Sondern um diesen Felsen, was es im Endeffekt auch nur ist, als Insel deklarieren zu können. Nur mit Post und einer Polizei kann man ein Stückchen Felsen als Insel deklarieren mitsamt allen Vorteilen: 200 km Wirtschaftszone und 12 Meilen Hoheitsgebiet um das Eiland herum! Das gefällt den Spaniern hingegen so gar nicht und wollen es als Stück Felsen deklariert haben! Wieso? Liegen die Ilhas Selvagens doch in relativer Nähe zu den Kanaren und somit zu Spanien, was deren Grenzen natürlich mächtig einschneidet!
Das 3. Gebäude gehört einer Privatperson. Wieso darf jetzt eine Privatperson hier im Naturschutzgebiet wohnen? Dem Vater des jetzigen Besitzers gehörte die Insel bis er sie 1972 an Portugal verkaufte, auch hatte er sich die Fischereizone gesichert um NICHT hier zu fischen – aber somit natürlich auch kein anderer. Damit hat er den Grundstein zu diesem Naturschutzgebiet gelegt. Die Portugiesen haben ihm dann aber gewährt, auf der Insel bleiben zu dürfen.

Die Führung fängt also an. Es geht bergauf und gleich bleiben wir auch schon wieder stehen – direkt neben einem Nest mit einem Jungvogel drin. Der Vogel fühlt sich sichtlich gestört. Der Warden bleibt trotzdem davor stehen und lässt uns knipsen, reinschauen, die Kinder nähern sich bis auf einen halben Meter. Der Warden erläutert, dass die Jungvögel jetzt wohl in der Phase sind, in der sie von den Eltern verlassen werden, sie aber noch im Nest bleiben bis sie abgemagert genug sind, um fliegen zu können und hungrig genug, um auch fliegen zu wollen und zwar zum nahe gelegenen Meer, um sich dort Futter zu suchen. Das machen wohl alle Seevögel so. Wir gehen weiter. Entlang des gesamten Weges, in jeder Nische, Felsspalte oder wie auch immer geartetem Unterschlupf – selbst unter Sträuchern sind Kuhlen gewühlt – entdecken wir Jungtiere. Diese Art der Seevögel kommt wohl jedes Jahr immer wieder zum selben Nistplatz zurück und sucht sich denselben Partner. Wenn alle Vögel zu Beginn der Nistsaison zurückkehren, gibt es heftigste Revierkämpfe. Die Tiere werden wohl bis zu 30 Jahre alt. 6 Jahre bis zur Geschlechtsreife bleiben die Jungtiere draußen, wo auch immer das sein mag. Manche konnte man bis in die Nordpolar-Region verfolgen, manche finden sich bei Argentinien und sogar südlicher. Nach 6 Jahren kehren sie dann zurück.

In früheren Jahren, keine Ahnung wann, Kindergeschrei halt, gab es Versuche, die Insel zu bevölkern. Reste von Mauern, welche das Regenwasser vom Abfließen ins Meer hindern sollten, sind noch erhalten. Außerdem ein Wasserauffangbecken. Und mehrere unliebsame Kreaturen: Ratten, Hasen und Ziegen gab es. Alle wurden entfernt/getötet um der Vegetation wieder auf die Sprünge zu helfen.

Außerdem zeigt der Warden uns Geckos. Versteckt unter Steinen, kann er sie trotzdem erahnen, fängt sie und gibt sie den Kindern sowie den Erwachsenen in die Hand. Was das noch mit Naturschutz zu tun hat, erschließt sich mir zwar nicht, aber ich muss ja auch nicht alles verstehen. So muss z.B. noch ein Kussfoto mit dem Gecko in der Hand gemacht werden.

Diese Inselbesichtigung ist DEUTLICH interessanter als die auf Desertas, aber die Gefahr des Steinschlages ist keine Erfindung. Unser Warden zeigt uns ein kleines Filmchen auf seinem Smartphone von einer kürzlich abgegangenen Steinlawine auf den Ilhas Desertas. Und das war nicht ohne!
Mit dem letzten Büchsenlicht kehren wir zum Schiff zurück, machen uns die Reste vom gestrigen Abendessen warm und lassen so den Tag ausklingen.

© 2020 C. Fuhrmann