2023 08 17 Überfahrt nach Sao Miguel – Ponta Delgada

Überfahrt: Vila do Porto → Ponta Delgada, 55 Meilen, 335°, vorhergesagter Wind: 260°, 16 – 18kn, passt!

Vorgestern Abend entdecke ich – mehr aus Zufall – dass Ende August ein Parapente Festival auf Sao Miguel stattfindet. Meine Nachfrage ergibt, dass die Anmeldefrist in Juli ausgelaufen ist, ich aber kommen kann. Angemeldet, die letzte Arbeit ist ja gestern mit den beiden Schrauben im Mast erledigt worden, Warten auf die letzten Pakete kann ich auch in Ponta Delgada. Also Plan: Heute um 6 Uhr aufstehen, 7 Uhr ablegen. Das schaffe ich auf die Minute! Sollte ich doch ein Fährunternehmen aufmachen?

Gleich vor dem Hafen setzte ich die Segel, zunächst Groß in Reff 2. Angesagt sind Böen bis 26 kn am Nachmittag. Plus 5 kn rechne ich ja immer. Also – da wäre Reff 2 so gerade noch tragbar. Leider kommt der Wind eher aus 285°. Für die erste Stunde lasse ich den Steuerbord-Motor mitschieben. Dann kann ich fast wie ein Einrümpfer an den Wind gehen und komme um die Insel Santa Maria herum. Im freien Seeraum dann wird der Motor abgeschaltet. Es geht so gerade, den Kurs auf Ponta Delgada zu halten. Aber deutlich unter 4 kn Geschwindigkeit! Oh weh – so komme ich erst im Dunklen an! Aber etwas abfallen und dann zwei kurze Schläge am Ende würde die Geschwindigkeit zwar erhöhen, aber die Strecke verlängern. Nein – das brächte mich auch nicht im Hellen zum Ziel!

Ich lasse also laufen. Und lege mich erst mal in die Ecke. Die letzte Nacht war kurz, keine 4 Stunden. Da schlummere ich ein wenig. 6 Meilen vor mir ist ein anderer Segler auf dem gleichen Weg. Ich habe ihn bald nach dem Aufstehen aus Vila auslaufen sehen. Noch im Dunklen, ich bin ja erst mit der Dämmerung gestartet. Er ist anscheinend sogar ein wenig langsamer als ich! Aber einholen vorm Ziel werde ich ihn nicht.

Es ist fast Mittag und der Wind war die letzte Stunde nie über 18 kn. Da könnte ich Vollzeug laufen! Also gehe ich zurück auf Reff 1. Und das bringt richtig was, fast 1,5 Knoten mehr Geschwindigkeit! Prima! Ab jetzt geht die Rechnerei los: Bei 5 kn, …. Wird knapp, könnte so gerade klappen, im Hellen anzukommen.

Lautes Schlagen reißt mich aus dem Dämmern. Die Fock schlägt wie wild! Die Schot ist ab! Gut – ich habe immer eine Leine angeschlagen. Nur – die hat sich um die Reling gewickelt. Also: Erst mal die Fock einholen. Dann die Leine ohne Hin- und Herschlagen lösen. Nach achtern führen und belegen. Schaden begutachten: Die Verbindungsleine von Schotblock zur Fock ist weg! Hier auf See im Seegang schwer zu reparieren, also einen Snap-Block auf die Schot und an die Fock. Schot dichtholen, Hilfsleine lösen und es geht weiter. RE hat sich nämlich ohne Fock schön in den Wind gestellt und ist mehr nach Lee gedriftet, als vorwärts gesegelt. Erledigt!

Keine 15 Meilen mehr und ich sehe Sao Miguel nicht! An guten Tagen sieht man die Insel schon von Santa Maria aus! Aber heute ist sie hinter einer grauen Wand.
Auch auf 8 Meilen ist selbst mit dem Fernglas nichts zu entdecken. Endlich – so auf 7 Meilen ahne ich erste Schatten.

3 Meilen vor dem Anlaufpunkt beginne ich, hafenklar zu machen: Auf beiden Seiten jeweils 3 Festmacher bereitlegen. Und dann jeweils 10 Fender ausbringen. Zwei achtern an die Heckspiegel. Funke schon mal auf den Hafenkanal einstellen und noch schnell mal auf die Toilette. Als alles klar ist bin ich noch 0,8 Meilen entfernt. Sehr gut: Segel bergen. Motor an und dann einlaufen. Ein Anruf bei der Marina ergibt keinen Kontakt. Ok – geh ich eben so rein. Ist sicher nach deren Büro-Zeiten.

Der Hafen zieht sich erst mal bis zur Marina. Dort entdecke ich eine freie Doppelbox. Reinfahren quer zum Wind mit 18 kn. Hmmm, da darf ich heute mal nicht so langsam, wie ich das sonst so gerne machen, dann drückt mich der Wind nur weg. Also stelle ich mich rückwärts vor die luvwärtige Box und warte, dass mich der Wind zu „meiner“ Box drückt. Beide Maschinen kräftig zurück. Klappt prima. Aufpassen, dass ich nicht hinten anstoße, kräftig aufstoppen. Schon drückt mich der Wind – wie geplant - auf den Lee-Finger. Da kommen aus dem Katamaran aus der Nebenbox drei oder vier Mädels gesprungen. Gute organisiert läuft jede an eine andere Stelle. Zunächst gebe ich der achtern eine Leine, das ist mit die wichtigste, ist die fest, dann kann ich mit dem Motor mich an der Stelle halten, die ich brauche. Vorne eine Leine rüber, da steht wohl die Mama. Dann noch eine Vorspring. Achtern auf Steuerbord noch eine Leine. Whow- so schnell bin ich fest! Ob ich noch weitere Hilfe brauche? Danke, nein, Superdank für die Hilfe. Anscheinend Amerikanerinnen. Alle in Crew-Uniform: Weiße T-Shirts, dunkelblaue Röckchen. Weiße Schuhe. Den nächsten Tag lerne ich dann: Vater, Hund, 4 Mädchen, die jüngste kann gerade richtig mit dem Hund laufen und ordentlich sprechen, Mama. An der Reling etliche Kanister – fast so, als wollten sie über den Atlantik motoren!

19:00 Uhr notiere ich im Logbuch: Fest in Ponta Delgada! Genau die 12 Stunden, die ich anfangs für die Überfahrt verkündet hatte. Vielleicht sollte ich doch ein Fährunternehmen eröffnen?
Es ist noch zwei Stunden hell. So kann ich nun alle Leinen und Fender optimieren. Dann einen Schlauch anschlagen und das Oberdeck entsalzen, sprich abspulen. Die Fenster putzen, den Sonnenschutz montieren. Die Laufleinen einsammeln. Whow! Fertig! Nun bekomme ich ein kleines Abendessen und ein Anlegebier. Zunächst Tackos und Weißbrot mit Alioli und Guakamole. Ich habe gerade den ersten Bissen im Mund, da ertönt es: „Chrischan!“. Lieve und Derk von der MINESADOUBLE haben mich den Tag über verfolgt und liegen auch hier in der Marina. Nun denn – kommt an Bord. Cocktail oder Bier? Und dann setzt das große Erzählen ein. Ist auch sehr nett, das Anlegebier nicht allein zu trinken! Nebenbei: Abendessen ist dann ausgefallen. Lieve fängt zwar irgendwann an zu drängeln und los zu wollen, aber Derk hat die Ruhe weg. Und allein will Lieve auch nicht weg. Irgendwann ist das nette Willkommen dann doch zu Ende und ich sinke in die Koje! Gute Nacht!