Position um 08.00 Ortszeit (Kap Verden): 17° 42.3' N 030° 35.1' W
Böen bis zu 38 Knoten zu Beginn meiner Wache um 03.00 Uhr. Das ist dann schon eindeutig "stürmische Winde". Der Brite sagt viel treffender: Yachtsmens storm dazu. Auf großen Pötten eher noch die Vorstufe ist es für uns "Kleinen" dann schon Sturm.
Wenngleich ich zugeben muss, downwind - also mit dem Wind gesegelt - und dann noch auf einem Katamaran, da ist es nur das 2. Reff, das wir in die Fock machen. Ansonsten tut sich nichts Besonderes. Das würde sich dramatisch ändern, wenn wir in den Wind gehen oder gar gegen den Wind segELn müssten. Dann würden von den 38 Knoten Wind nicht unsere 8 Knoten Geschwindigkeit abgezogen, sondern dann vielleicht 5 Knoten dazu addiert werden müssen. Und das macht dann 30 gegen 43 Knoten aus! Wir wollen es lieber nicht probieren….
Um 05.30 Uhr kommt Michèle: Es riecht. Also es stinkt nach Elektrik.
Shit, ja! Der ganze Steuerbord-Rumpf riecht. Nicht nur unangenehm der Geruch, sondern schlimm, denn das muss ja eine Ursache haben. Zunächst gerät die Notklingel in Verdacht. Die ist neu und der Neue ist es ja immer. Michele ist sich sicher. Ich eher nicht. Funktionstest: Sie funktioniert noch einwandfrei. Und wenn ich sie mit nach oben nehme, dann finde ich, die riecht nicht! Das Triton! Wir haben eine kleine Navigationseinheit zur Anzeige der Daten unten am Bett. Die muss es sein! - Nein, die ist es auch nicht.
Nun ist gerade der Steuerbord-Rumpf voll gestopft mit Elektronik: Unsere Energiezentrale mit Sicherungskasten und Verteiler. Schrank auf - ja hier riecht es, wahrscheinlich sogar stärker. Nur, der Victron Quattro [Link auf 2021 11 25 Entsetzen am frühen Morgen] scheint es eher nicht zu sein. So genau kann ich die Quelle des Gestanks nicht orten. Aber auch die anderen Teile hier im Schrank sind es nicht.
Oh - unter dem Bett ist die Tesla-Batterie! Oh weh! Wenn Lithium anfängt zu brennen, dann ist das Schiff verloren. Bettdecken runter, Matratzen und Gitterrost folgen. Klappe auf - ja hier ist der Gestank am stärksten. Sichtkontrolle: Nichts. Nasenkontrolle: Nicht feststellbar, woher. Funktionscheck am Panel: Alles in Ordnung.
Wir stellen einen weiteren Feuerlöscher bereit. Einmal Pulver, einmal CO2 und besprechen, was im Notfalle wer wann macht. Dann werden zwei Luken geöffnet und durchgelüftet. Michèle wird in die Backbord-Kabine einquartiert. Die ist mit wenigen Minuten Arbeit "schlafbar" gemacht. Sie bekommt die Order: Schlafen! Wir müssen als Crew fit sein, da muss einer ausgeschlafen sein und die Reihe ist ja an ihr.
Ich intensiviere noch mal die "Nasensuche", werde aber nicht fündig. Dann wird noch ein kleines Fensterchen hinten geöffnet. Das aber birgt die Gefahr, dass ordentlich Wasser einsteigen kann. Wir hatten - siehe oben - ganz ordentlich Wind! Und da kommt manchmal ein Schwung Wasser bis dahin. Nebenbei hat ein feiner Novemberregen eingesetzt. Also auch Obacht bei den Luken. Ordentlich Luft, aber möglichst wenig Wasser. Zusätzlich puste ich mit einem Lüfter den Gestank aus dem Batterieraum und der Energiezentrale.
Nun bleibt für mich nur Wache zu schieben. Funktion überwachen, Wasser durch Luken und Fenster minimal halten, aber auch um die Umgebung kümmern, wie auf jeder Wache. Der Gestank nimmt ab und ich kann eine zweite große "Nasensuche" machen. Wieder erfolglos. In irgend einem Gerät muss ein Kondensator hoch gegangen sein. So riecht das dann… Nur lokalisieren kann ich nichts. Und es wird immer weniger. Gegen Mittag erkläre ich den Steuerbord-Rumpf wieder für bewohnbar. Und gehe dann wie gewohnt wieder da schlafen.
Michèle kommt irgendwann strahlend an Deck: Sie hat das erste Mal seit Abfahrt morgens keine Kopfschmerzen. Sie würde jetzt die Steuerbord-Kabine bevorzugen.
Mit dem leichten Regen in der Nacht ist eine Menge Salz abgewaschen. Schon mal was Gutes. Und zum Mittag haben wir ein Etmal [Link auf Glossar Etmal] von 129.1 Meilen. Bestes Ergebnis unter Fock! Die stürmischen Winde haben so auch ihr Gutes. Nebenbemerkung: Wir haben die Quelle des Gestanks bis heute nicht gefunden, alle Geräte scheinen einwandfrei zu funktionieren.