2021 11 25 Entsetzen am frühen Morgen

Nachdem ich meine Wache kurz nach 03:00 Uhr übernommen habe, mache ich mich ans Funken. Versuche also auf Kurzwelle eine Landstation zu erreichen, die meine Mail aufnimmt und die aufgelaufenen Mails an mich übermittelt.

Da kommen zur Zeit und an diesem Standort drei Stationen in Frage. Evtl. Trinidad, manchmal sehr gut Canada und regelmäßig Belgien. Jede Station bietet Frequenzen um 4 MHz, 6 MHz und auch darüber an. Aber zurzeit beginnt ein Jahr mit heftiger Sonnenflecken-Aktivität. Und das stört die Funkwellenausbreitung. Also ist Probieren angesagt. Die Vorhersagen geben einen Hinweis, aber wirklich stimmen tun sie selten. Im 10 Mhz-Bereich passiert es dann: Unsere Bordzentrale wird gestört.

Was ich als unsere Energiezentrale bezeichne, ist ein sehr "intelligenter" Wechselrichter Victron Quattro. Der passt auf unsere Tesla-Batterie mit 96 Volt (= 2* 48 Volt, also "ungefährlich") auf. Und auf die Verbraucher-Seite mit 230 Volt. Und auf die Solarzellen, auf den Generator und wenn vorhanden auf den Landanschluss. Er schiebt Energie in die Batterie, wenn genügend geliefert wird. Er holt sich einen Mix aus seinen Eingängen und gibt das als 230 V in unser Bord-Verbrauchsnetz. Und er zeigt alles schön an.

[Bild CC]

Und genau der wird - anscheinend besonders im Bereich 10 MHz - gestört.

Normalerweise schaltet er kurz aus und gleich wieder ein. Die Uhr am Ofen verträgt den Spannungsverlust nicht und blinkt dann auf 12:00 Uhr. Muss also wieder eingestellt werden. Doch heute kommt die Spannung nicht wieder. Gut - warte ich ab, bis die Sendung zu Ende ist. Wir hauen ja 750 W raus. Verglichen mit den Milli- und Mikrowatt eines Handys oder eines WLANs ist das schon eine ganze Menge. Ich mache mit keine großen Sorgen, die Spannung ist bisher ja immer wiedergekehrt.

Doch heute bleibt es am Herd dunkel. Auch der Laptop lädt nicht. Auch als ich fertig bin und die Funke abschalte. Gut - also einmal meine Energiezentrale, der geneigte Leser weiß ja, wen ich meine - ausschalten, einschalten und …. Es blinkt wieder "Battery low". Nachgeschaut: Beide Tesla-Hälften melden 44,44 V. (Konnte ich mir irgendwie merken die Zahl.) Das entspricht einem Ladezustand von ca. zwei Drittel. Also bei Weitem nicht "low". Ausschalten - Einschalten. Keine Änderung. Nun wird mir unwohl. Unser Leben an Bord ist schon auf "normalen" Haushalt eingerichtet. Ofen, Herd, Tiefkühler, Rechner laufen alle auf 230 V.

Nächste Idee: Keine Panik, ich hole Hilfe. Und die besteht erst mal in Abwarten. Also: Ausschalten und mal ne Stunde warten. Ich habe ja auch so noch genug zu tun. Doch auch nach einer Stunde - der selbe Effekt. Gut - wir haben ja noch Plan B: Jeder Motor hat eine Lichtmaschine, die 230 V mit 5 kW liefern kann. Nachteil: Nur wenn der Motor dreht. Aber meine ersten Gedanken, der Quattro ist defekt, den müssen wir austauschen, führen dann zum Ziel. Nicht zum Ziel des Problems. Sondern zu unserem Reiseziel. Sollen wir die Kapverden anlaufen? Dort evtl. Wochen auf Ersatz warten? Ok - das muss mit Michèle besprochen werden. Ist aber nicht so eilig, dass ich sie wecken müsste. Auch wie dann die Spannung vom Generator ins Bordnetz kommt, ob der Quattro zumindest die noch durchleitet, nun, auch das muss warten bis Michèle aufwacht. Ist nicht zeitkritisch.

Die Wartezeit führt dazu, dass ich für mich eine Entscheidung finde. Das Umschalten vom Generator direkt ins Bordverbrauchsnetz bekomme ich sicher hin. Und dann wird morgens, wenn Michèle aufwacht, der Motor angeworfen. Dann kann Kaffee, Tee gekocht und die Tiefkühle "aufgeladen" werden. Und abends wird dann der Motor angeworfen, um zu backen, kochen und den Watermaker zu betreiben. Evtl. die 12 V-Batterie, die die Bordelektronik versorgt und nur von 2 Solarpanelen geladen wird, aufladen. Das passt schon! Nein - nicht Kapverden. Wir können meiner Meinung nach weitersegeln. So werde ich das verkaufen.

Gegen 9:00 Uhr sehe ich den Ofen blinken: 12:14….. Ha! Seit 14 Minuten haben wir wieder Spannung. Die ersten richtigen Sonnenstrahlen auf die Paneele haben also irgendwie meinen Quattro das "Battery low" ausgetrieben! Juhu! Alles durchgecheckt: Alles läuft. Tesla und 12 V Batterien laden. Spannung auf dem gesamten Verbrauchernetz!

Whow - ich hatte ja noch die Erwartung, dass vielleicht der Generator den Quattro wieder zur Vernunft bringen könnte, aber ich wollte keinen Motor anwerfen, solange Michèle schläft. Dass die Solarpaneele reichen…. Super! Happieness!!! Und: Beim nächsten Funken wird der Quattro abgeschaltet. Dann müssen wir so lange eben ohne 230 V leben. Aber hinterher kommt er dann hoffentlich gleich wieder. Also - nicht zu lange Mails!