2022 05 24 Alarm statt Ankunft

Mittagsposition: 38° 33.0' N 028° 59.1' W, Etmal: 71,4 nm

Ein durchdringendes elektronisches Pfeifen beendet um 02:15 Uhr die Nachtruhe. Das Schöne an solcherart Signale ist, dass es fast schon Tote aufweckt. Michèle wird mit mir wach und Brigitte kommt schon, uns zu alarmieren. Das Schlechte an solcherart Signal ist, dass man es sehr schwer hat, zu orten, wo es herkommt. So flitzen wir durchs Boot: Navigation: Nein. Kühlschrank: Nein. Tiefkühltruhe: Hmmm, eher nein, oder? In der Werkstatt: Sicher nicht. Lautsprecher: Nein, aber irgendwie richtige Richtung. Ah! Steuerstand! Der Backbord – Motor schrillt und zeigt „Seal“ an. Weiß jemand, was Seal heißt? Seehund wird es wohl nicht sein. Also erst mal Motor aus. Den anderen Motor an und das Boot wieder auf Kurs bringen.
Michèle hat inzwischen die Motor-Akte rausgesucht. In der deutschen Version fehlen genau die Seiten mit den Störungsmeldungen – muss ich morgen mal sorgfältig durchsehen und ausdrucken. In der englsichen Version findet sie dann, dass es am Saildrive – unserem Getriebe – ist und bedeutet, dass Wasser eingedrungen ist. Also wird Seal so was wie Dichtung heißen. Die ganz Schlauen werden sagen: Ja, das kann man doch blitzschnell googlen! Nun – ja ! Wenn man Internet hat. Haben wir auf Hoher See aber nicht! Ich bin einigermaßen beruhigt: Wir hatten schon mal Wasser im Öl des Getriebes. Auf Martinique wollte ich neue Dichtungen an beiden Saildrives haben. Evtl. im Zussammenhang mit einer Montage von Faltpropellern. Aber der Händler wollte 10.000,- € für die ganze Geschichte. Das war uns dann doch zu viel! Und die Dichtung habe ich dabei ein wenig aus den Augen verloren…. Nun – damit können wir aber m. E. gefahrlos in den Hafen einlaufen und anlegen. Also: Wieder schlafen gehen. Brigitte verabschiedet mich mit: Schlaf bis 05.00 Uhr. Dann hast Du jedenfalls noch ein bisschen!

Ja – wirklich begonnen hatte der Tag ja für mich um 01:00 Uhr. Da bin ich verabredungsgemäß hoch gepurrt worden, Segel bergen und Motor anwerfen. Wir haben nun mehr als die Hälfte Flores – Faial unter Segel gegenan geschafft. Um im Hellen einzulaufen ist nun ein kleiner Schlussspurt nötig. Und: Gegenan ist noch nie einer gesegelt. Gegen 15:00 Uhr wollen wir mit dem Einlauf-Manöver beginnen.

Das wurde dann nichts, die See wurde wieder ein bisschen „bumpie“ und wir wurden teils auf weniger als 3 Knoten gebremst. Glücklicherweise konnte Re auch unter Steuerbord-Motor den Kurs halten.
Am Nachmittag wird noch mal Wasser gemacht, ich laufe ja gerne mit vollen Tanks ein. Dann geht es an Faial entlang – Abstand eine Meile. Nun ist zurzeit nichts zu tun und so spielen wir wieder eine Runde Skat. An der Ecke dann erst Kursänderung, letzte Runde Skat und es wird ruhiger. Zeit für mich, auf’s Vordeck zu gehen und die Fender klar machen. Wird aber nichts: Während ich noch den „Seal“-Geber des Backbord-Motors abschalte, meldet Brigitte, die assistiert, der Steuerbord-Motor zeigt „Alarm“. Nein! Doch! Runterfahren, abschalten, bis 10 zählen, wieder anwerfen: Alarm. Dann wechselt die Anzeige auf „77°“ und schlägt um auf „78°“. Ok – Wasser checken! Es spritzt noch raus. Sieb des Wasserzulaufs: Da sprudelt es noch ordentlich. Also – wieder Gas geben, nicht so viel wie bisher und den Backbord-Motor, der nun nicht mehr so durchdringend piepen kann, in Standby.

Michèle hat derzeit dann schon mal die Fender und Leinen raus geholt. Die Hafeneinfahrt kommt näher, Fender raus – das sind bei uns ja insgesamt 20 (!) und Leinen klar. Brigitte muss noch ein wenig abbremsen, damit wir fertig werden. Dann Marina Horta gerufen, zunächst auf Kanal 10, dann auf Kanal 16 – keine Antwort. Entschluss: Fahren wir einfach rein und machen irgendwo fest. Schon beim Einfahren in den Hafen sehen wir: Die Marina ist proppevoll. Am „Anmeldequai“ liegen sie teils in 6er Päckchen. (Das heißt, 6 Schifflein nebeneinander und alle müssen über den am weitesten an Land rüber, um auf selbiges zu kommen.) Nee – so nicht: Wir ankern im Hafen vor der Marina. Da findet sich schnell ein Plätzchen hinter zwei 25 Meter Yachten, wo wir klein und niedlich uns – nicht zu nahe an der Stein-Mole – hinlegen können.

17:30 Uhr. Angekommen! Darf man auf den Azoren schon davon sprechen, dass man den Atlantik überquert hat? Knappe 1200 Meilen bis Irland, 1300 bis zum Eingang Englischen Kanal oder gute 1000 Meilen bis Gibraltar. Das sind ja noch mal 1 bis 2 Wochen. Aber wenn man die Runde dann Richtung Madeira / Canaren weiterfährt, dann beginnt man ja die nächste Querung! Egal – wir sind froh und bekommen einen Sekt ausgeschenkt.

Dann geht es für mich zum Einklarieren. Die Hafenmeisterei arbeitet bis 20:00 Uhr. Also zumindest soll sie. Whow! Tu sie auch fast: Ein Hafenmeister ist da und platziert mich auf einem einbetonierten Stuhl. Dann begrüßt es mich überschwänglich, fragt nach den Schiffspapieren und – oops, da kommt ein Bekannter an der Tür vorbei. Erst mal ein Schwätzchen auf Portugiesisch. Also unter Frauen wäre es ein Schwätzchen gewesen. Unter Männern sage ich mal: Die haben die Erlebnisse der letzten 5 Jahre ausgetauscht. Nun – wir sind heile „drüben“, da werde ich mich ja ein paar Minuten gedulden können. Der Portugiese zieht ab und – es kommt der nächste. Der Schwatz dauert nicht so lange, denn das Telefon klingelt. Aber das haben die hier prima organisiert: Da gibt es einen Knopf, der das Klingeln abschaltet. Zurück zu – nein! Nicht zu mir, nein zu dem zweiten Portugiesen. Auch hier werden die letzten – vielleicht nur drei – Jahre aufgearbeitet. Dann bin ich dran. Mit Warten: Denn nun klingelt sein Handy. Das ist natürlich was ganz anderes. Da gibt es keinen Knopf, um das Klingeln abzuschalten. Tonlage und Gestik lassen mich darauf tippen, dass der Enkel angerufen hat. So Kinder darf man in ihrem Mitteilungsbedürfnis nicht unterdrücken! Aber selbst das Gespräch findet ein Ende. Und nun geht es zur Sache: Ob ich mich vorher gemeldet hätte. Ja – vorgestern eine Mail geschickt. Oh, oh. Das war doch Sonntag? Ja. Nein, also Sonntags…. Aber sie würden sowieso keine Reservierungen vornehmen. Und Mails, da sei zu viel Arbeit, als dass sie die alle lesen könnten…
Nun – dann hatte ich auf Kanal 10 und 16 angerufen. Nein – bei dem Arbeitsanfall würde er das Funkgerät ausschalten. Nun werde ich weiter bearbeitet. Ich habe ja inzwischen ein Blatt, auf dem fast alles drauf steht, was die im Hafenbüro so wissen können wollten. Das imponiert. Kurz zeigen ich dann noch die jeweiligen Dokumente und zack – ist er fertig mit seinem Computerspielen. Ich bekomme noch einiges zur Unterschrift vorgelegt. Ankern kostet nur die Hälfte. Also 15 Meter-Klasse plus 50% Katamaran-Aufschlag plus 16% Steuern und noch irgendwelche Taxes mal einhalb. Aber bezahlen soll ich bei Abfahrt. Und wir sollen uns ganz nach innen verholen, da sei es schön geschützt. Zu guter Letzt bekomme ich eine Karte, mit der ich die Türen zu den Stegen öffnen kann. Also – können sollte. Denn als wir abends wiederkommen funktioniert die natürlich nicht….

Zurück an Bord machen wir uns fertig bei „Peters Sport Cafe“ einzufallen und den berühmten Marakuja-Gin zu trinken. Für die Nicht-Segler unter den Lesern: Peters Cafe ist seit über 100 Jahren – inzwischen unter 3. Führung – der Anlaufpunkt aller Segler auf den Azoren. Wir ergattern gleich bei der Kasse noch einen kleinen Dreier-Tisch und bestellen 2 Gin und 1 großes Wasser – für Michèle. Kommt, Michèle nippt an meinem und dann wird der 3. bestellt. Die Bude ist rumsvoll, urig und für so viele Menschen auch erträglich laut. Und das Essen riecht gut. Also: Wir essen hier. Leider ist unsere Wahl von Cod-Fish nicht sehr glücklich. Michèle mit Fleischspieß hat es besser getroffen. Das nächste Mal gibt es Thunfisch! Nach einer zweiten Runde Gin geht es ans Bezahlen: VISA Karte funktioniert nicht. Gut – das hatte ich ja schon mal beschrieben, dass die irgendwie eher nur jedes zweite Mal funktioniert. Also Master-Card: Falsche PIN! Ok – was man in knapp drei Wochen auf dem Atlantik nicht alles vergisst. Giro-Karte: PIN falsch! Das gibt es doch nicht! Zweiter Versuch: PIN falsch! Michèle steht inzwischen bei mir. Nun – bezahl Du. Sie – PIN falsch.
So muss Brigitte mit Bargeld herhalten.
Am nächsten Tag erfahren wir, dass es in Europa massiv Probleme mit Kartenzahlungen gibt. Irgendeine, von allen eingesetzte Software funktioniert nicht….

Zurück an Bord bekommen wir noch einen Absacker, den haben wir uns nun doch redlich verdient. Spielen ein, zwei Runden Skat, schwatzen wie die Portugiesen, wobei wir nur die letzten drei Wochen aufarbeiten. Und da ist es 02:00 Uhr. Wachwechsel – Koje gegen Salon tauschen! Gute Nacht!

Unsere Atlantik-Runde...