2021 12 14 St. Lucia Ankunft

Position um 00:00 Uhr Ortszeit St. Lucia (UTC-4): 14° 10.9’N 060° 36.8‘ W

Michèle berichtet!

Die Blake ist ja schon lange Zeit vor uns und noch vor ein paar Tagen hieß es: uneinholbar! Mit dem Parasailor kommen wir aber so dermaßen gut voran, dass wir sie auf den letzten Meilen doch noch knacken. Wir wollten zwar keine Competition machen, aber irgendwie holt es einen doch! So.

Was jetzt? Segeln wir mit dem Parasailor weiter und bleiben vor der Blake, kommen dann aber im Dunkeln in einem unbekannten Gebiet an, von dem es außerdem noch heißt, dass man es dort mit der Bojenkennzeichnung nicht ganz so eng sieht. Außerdem müssen wir vor dem Hafen durch einen engen Kanal. Wie sehr ist der beleuchtet, gekennzeichnet? Wie viel sieht man im Hafen, um in die enge Liegebucht zu fahren? In Europa würde ich mir da weniger Sorgen ma-chen, aber hier!?!? Oder lassen wir es ruhig angehen, segeln unter Fock weiter, lassen die Blake wieder vorbei (ich meine, wir haben es denen ja jetzt gezeigt) und kommen im Hellen an? Irgendwie packt uns also doch der Ehrgeiz und wir wollen den Parasailor stehenlassen. Bis jetzt sind wir tatsächlich ohne Squalls davongekommen. Und so kurz vor dem Ziel wird es ja wohl keine mehr geben!?

Um 19:00 will Chrischan ins Bett, um um 22:30 aufzustehen. Ich bin jetzt schon müde und extreeeeeeem angespannt. Aber egal, die paar Stunden halte ich durch. Naja, es kommt, wie es kommen muss. Obwohl gleichbleibende Winde vorhergesagt sind (das ist eigentlich immer das sicherste Zeichen, dass sie es doch nicht bleiben!!!!), steigt die Windgeschwindigkeit. Zuerst bis 23 kn. Ich versuche ruhig zu bleiben, weiß ich doch, dass das Boot, der Mast und das Segel das ab können. Dann geht’s auf 24. Kurz. Naja, das entspannt sich auch wieder, versuche ich mich zu beruhigen. Wir hatten ja schon mal 26 kn und alles ist stehen geblieben. Dann geht’s auf 25. Mist, Mist, Mist, ich will jetzt nicht auf den letzten Metern wieder von der Blake eingeholt werden. Andererseits, bleib vernünftig, letzter oder vorletzter Platz, dafür aber gebrochener Mast, gerissenes Segel! Was soll das!? In dieser Gemütslage geht es dann ca. ½ Std. weiter, dann wieder Wind bis knapp über 25 kn. Jetzt reicht es. Jetzt muss Chrischan wieder raus und den Parasailor bergen. Doppelt Mist, da er jetzt noch weniger Schlaf bekommt und er muss fit sein für die letzten Meilen, das Anlegen u.s.w. Andererseits, wenn wir dann mit der Fock weitersegeln, werden wir nicht schon um 02:00 ankommen und somit kann er auch wieder länger schlafen.

Gedacht, getan. Ich wecke ihn, er kommt raus und schaut sich das ganze Spiel etwas an und kommt dann zum gleichen Ergebnis: bergen wir den Parasailor. Was soll’s!? Nachdem das Segel unten ist, die Leinen abgeschlagen sind und wir sie aufschießen wollen, merken wir, dass die grüne Leine an einer Stelle arg durchgescheuert ist! Zwar noch nichts Dramatisches, aber die wäre uns irgendwann um die Ohren geflogen! Ob noch heute Nacht ist nicht komplett auszuschließen. Glück gehabt. Weiter geht es gemütlich mit der Fock und der Wind schläft, entgegen allen Vermutungen, auch nicht ein, und wir machen weiter mit ca. 5 kn Fahrt. Ich lasse Chrischan eine Stunde länger schlafen und hole ihn um 23:30 Uhr. Dann kann ich endlich ins Bett. Lange bin ich aber nicht weg. Die Nervosität und der Lärm machen mich wieder wach. Ich bekomme mit, wie Chrischan die Fenster schließt. Regen? Ich bleibe aber liegen und versuche etwas Ruhe zu finden. Wenn Chrischan mich braucht, so ist es vereinbart, kommt er mich wecken. Gegen 02:30 stehe ich dann auf. Jetzt hatten wir / er doch noch unseren ersten Squall!!! Mit bis zu 40 kn Wind und ordentlich Regen, weshalb er die Fenster schließen kam. Natürlich erst nach dem Manöver mit Fock reffen und nachdem es ordentlich reingeschifft hatte. Was für ein Glück, dass wir den Parasailor vorher geborgen hatten, denn diese Bö kam so schnell und unvorhersehbar, dass ein Bergen nicht mehr möglich gewesen wäre!

In einem dunklen Schwarz erheben sich jetzt die Berge von St. Lucia hinter der gerade noch so von den Sternen beleuchteten Meeresoberfläche. Schon fahren wir in die Bucht vor Rodney Bay ein. Immer noch unter Segel – so wie es sein soll. Wir hätten aber auch keine Skrupel zu motoren. Noch vor der Ziellinie dümpelt so ein sch…. Fischer in seinem kleinen Boot (also, dass das ein kleines Boot ist, nehmen wir mal so an – sehen können wir nur das weiße Licht!) Wir müssen uns auf die Ziellinie konzentrieren. Wo ist die? Im Hintergrund blenden und scheinen 1000 Lichter von Rodney Bay, von ankernden Seglern und von was weiß ich nicht noch alles. Jetzt kommt dieser Dämlack auch noch mit einer Affengeschwindigkeit auf uns zu geprescht!!! Was soll das !!!!???? Unglaublich. Und dann zucken auch schon die ersten Blitze aus dem Boot. Hello ruft er noch. Ja, Du mich auch hello. Nach mehreren Minuten, die Ziellinie ist jetzt endlich gefunden und überquert, meldet er sich noch mal zu Wort, ob wir uns für ein Foto gemeinsam hinstellen könnten. Na toll!!! Ein Paparazzo!!! :-))) Das wurde uns zwar gesagt in der Skipperbesprechung, war uns zu dem Zeitpunkt aber nicht so dermaßen wichtig, dass wir das sofort wieder aus dem Gedächtnis gestrichen hatten. Egal. Auch auf den Fotografen kann ich in dieser Situation verzichten!

So, jetzt muss alles relativ schnell gehen. Bis zur Kanaleinfahrt ist es nicht mehr weit. Chrischan muss noch funken, um unsere Ankunft durchzugeben, er muss die Fender noch ausbringen und die Leinen klar legen. In der Zwischenzeit stehe ich am Steuer und soll die Kanaleinfahrt ausbaldowern und versuchen, die ankernden Segelschiffe nicht zu rammen, von denen ein paar ganz helle (also leider nicht im Sinne von hell erleuchtet) ÜBERHAUPT kein Ankerlicht oder sonstiges Licht eingeschaltet haben. In dem ganzen Lichtermeer entdecke ich wunderbar hoch oben ein grünes und ein rotes Licht. Sehr klar zu sehen, sehr groß und normalerweise auch ein deutliches Zeichen, um eine Ein- oder Ausfahrt zu kennzeichnen. Aber selbst für diese Gefilde haben diese Lichter eine etwas merkwürdige Form. Und sehen eher nach einem beleuchteten Apothekenschild und einem Reifenhersteller aus. Außerdem stimmen sie auch nicht so 100%ig mit der Einfahrt in unserer elektronischen Seekarte überein. Es sind auch schlicht und ergreifend nur extrem störende Werbelichter. So! Jetzt habe ich aber immer noch nicht die Einfahrt gefunden und Chrischan ist auch noch nicht fertig. OK. Egal, jetzt drehe ich ein paar extra Runden auf der Stelle, bevor ich irgendetwas übers Knie breche. Chrischan findet das gut, so kann er nochmal kurz verschwinden. Nach der 4. Extrarunde übernimmt er das Steuer und die Einfahrt ist immer noch nicht ausgemacht. Chrischan fährt Richtung Zugang, so wie es die Seekarte anzeigt und plötzlich sehen wir, endlich, in gefühlt 10 Meilen Entfernung eine kleine grüne Funzel leuchten. Eine rote ist nach wie vor nicht auszumachen und wird sich auch als komplette Fehlanzeige herausstellen. Na gut, aber wir können uns ja auch mit der Seekarte und dem grünen Licht orientieren. Aber ganz vorne vom Kanal ist es extrem dunkel und keinerlei Anhaltspunkte auf das nahe Ufer. Ich komme auf die glorreiche Idee doch unsere 5000-Lumen-Lampe (einen großen Dank an Christian H., den Laufkumpel von Chrischan, für diesen Tipp) hervor zu holen. Damit müsste man doch jetzt das Ufer ausmachen können. Beim Anschalten kippe ich vor Schreck fast vorne vom Boot, erscheint doch plötzlich keine 3 m vom Bug entfernt, ein Pfahl mit einer grünen – NATÜRLICH UNBELEUCHTETEN Markierung. Chrischan kann gerade noch das Steuer rum reißen, sonst hätten wir das umgepflügt….. oder der Pfahl uns!!!!!! Rechts daneben das rote Seezeichen. Auf dieselbe Art und Weise befestigt! Mein Fresse!!!!!! DAS hätte ins Auge gehen können!!!!

Mit dieser Lampe sind wir aber jetzt gewappnet und können gut Abstand zum doch nahen Ufer halten. Im Hafen soll laut Seekarte rechts eine Boje sein. Ebenfalls Fehlanzeige. Aber mit unserem Hafenplan finden wir recht schnell die Abzweigung zu unserem Liegeplatz. Und ein Stückchen weiter steht auch schon ein ARC-Mitarbeiter mit einer Taschenlampe vor einem weiteren Hindernis, auf das er uns aufmerksam machen will und lotst uns an unseren, gut anzulegenden Platz am Ende von Steg E. Dann ist auch noch Chrischans Freundin SWade (Ja – richtig: SW groß geschrieben!) da und hilft mit den Leinen und erleichtert somit weiter das Anlegen. Es ist jetzt 04:30 Uhr. Geschafft. Die Erleichterung ist groß. Die Anspannung fällt in Riesenblöcken von uns ab.

Wir bekommen auch gleich aus einer Flasche Rumcocktail zwei Gläser eingeschenkt und einen großen Geschenkekorb übergeben. Da wir die letzten Ankommer in deren Schicht sind, nehmen sie unsere Einladung, an Bord zu kommen und gemeinsam die Flasche zu leeren, gerne an. Wir sitzen auf der hell erleuchteten Terrasse und ich kann zu meinem Erstaunen keine Mücken entdecken – hatte ich mich doch sicherheitshalber mit einem 100-l-Fass AntiMuck einge-deckt. Naja, vielleicht sind die ja schon schlafen. Als wir endlich ins Bett fallen, wird es hell. Es dauert aber noch eine lange Zeit, bevor wir Schlaf finden und so erleben wir auch noch, wie die Blake reinkommt. Nach uns!!! Sie konnte uns also nicht mehr einholen! Yeah! ;-)

© 2020 C. Fuhrmann