2022 05 14 Tag der Entscheidungen: Hü,hott! Sturm!

Mittagsposition: 38° 48.5' N 048° 19.5' W, Etmal: 88,1 nm

Das Logbuch ist heute voller Einträge. Mit Wachwechsel um 04:00 Uhr beginne ich „nachzujustieren“.

Zunächst wird die Fock ausgerefft. Nachdem ich beim morgendlichen Funken die Wetterdetails für die nächsten 24 Stunden geholt habe: Großer Schreck! Der Kurs führt uns direkt in die Zentren zweier Starkwindgebiete, die aus Nordwest auf uns zurauschen. Im Zentrum bis zu 50 Knoten. Und normalerweise haben die Böen dann eher 5 mehr. 55 Knoten sind das Ende von „Schwerer Sturm“ und es beginnt „Orkan“. Das will ich nun gar nicht. Deshalb um 07:45 Uhr erst mal Groß geborgen und Fock klein gemacht. Auf der Stelle treten und die Dinger vor uns passieren lassen.

Dann noch mal das Wetter des Tages durchlaufen lassen. Nee – auf der Stelle wird auch ungemütlich werden! Also – weitere Entscheidung: Fock ausreffen und nach Süden abhauen. Der Wind soll ja erst mal noch schwächer werden. Aber jede Meile zählt.

Michèle berichtet!

Ich werde heute morgen wach durch Chrischans Ausreffmanöver; die angesagte Flaute ist also im Anmarsch. Und die See ist etwas ruhiger als gestern. Angenehm. Als ich jedoch in einen sonnendurchfluteten Salon hochkomme, sehe ich in ein seeehr griesgrämiges Gesicht. Was ist los?

Zum einen bescheinigt uns die Großwetterlage die vorhergesagten, uns treffenden 30kn, nur mehr bloß als laues Lüftchen. So stehen jetzt plötzlich 2 kurz aufeinander folgende Sturmgebiete mit 50kn Wind an!!!! Die uns auf diesem Kurs genau mittig treffen!! Wir motoren also jetzt volle Kraft voraus Richtung Süden um den beiden Sturmgebieten auszuweichen und hoffen auf ein laues Lüftchen von nur mehr 30 kn Wind. Ein Gutes hat das Ganze aber: da wir uns wieder von unserem Ziel entfernen, können wir, wie Brigitte meint, ein zweites Mal auf die halbe zurückgelegte Strecke anstoßen! ;-))

Zum anderen hat er auf der Nachtwache gefroren wie ein tiefgekühlter Hering und ist gerade erst dabei wieder aufzutauen. Auch ein Kaffeefilter im Waschbecken deutet auf zusätzliche Aktivität hin, die mich jedoch etwas stutzen lässt. Brüht sich Chrischan doch nie selber einen Kaffee auf und Brigitte trinkt in ihrer Nachtwache nur warme Brühe, da sie sonst nicht einschlafen kann. Hmmm??? Auf Nachfrage erfahre ich, dass die arme Wutz Brigitte um halb 8 vor Kälte wach geworden ist, dann in den schon etwas aufgewärmten Salon kam, sich einen Kaffee gemacht hat und dann wieder mit einer Wärmflasche im Bett verschwunden ist. Diesmal konnte sie aber trotz Kaffees schlafen!! :-)) (Nein, nein, wir kümmern uns schon um unsere Gäste: eine 2. Decke hat sie schon bekommen! Jetzt gibt’s noch eine 3. dazu – wir haben sie ja!)

Jetzt, bei noch ruhiger See, wird etwas Wasser gemacht und geduscht. Dazu das Boot sturmfest machen. Überflüssiges wegräumen, nichts bleibt an Deck, was da nicht gebraucht wird. Dann werden wir der Dinge harren, die da kommen werden. Sollte dies also der letzte Bericht sein, so wisst Ihr was passiert ist! ;-)))

Auf Nachfrage per Mail bekommen wir von Sebastian – unserem Wetterberater – das Go: JA – südliches Ausweichen ist gut. Die beiden Starkwindfelder sollten bald 100 Meilen vor uns durchgehen. Aber sie sind nun etwas weiter südwestlich – und damit voll bei uns. So machen wir – teils unter Motor – 40 Meilen, bis es uns dann erwischt: In der Nacht laufen wir unter Fock mit Reff 3 – da bleibt nur ein kleiner Fetzen stehen – mit Wind zwischen 35 und 40 Knoten OstSüdOst. In den Böen haben wir dann 45 Knoten. Das reicht. Mit 130° - 150° Wind von achtern läßt sich das aushalten. Aber wir erwarten doch den Morgen, da soll es dann abflauen, leider auch auf Nord drehen. Am Ende der Nacht sind wir aber über 70 Meilen näher an die Azoren gekommen.