2022 04 30 Nordatlantik-Wetter, Ankunft

Mittagsposition: 32° 00.2'N 064° 45.4'W Etmal: 98 mn

Zum Sonnenaufgang begrüßt mich Nordatlantik-Wetter: Grau, windig, kalt. Inzwischen ist die Temperatur unter 20° gesunken. Ich habe mir freiwillig Schuhe angezogen. Zum Schlafen hatte ich die Bettdecke raus geholt. Und Michèle war bei Wachablösung sehr froh drum! Aber: Der Wind hatte in der Nacht fast bis auf West gedreht und Michèle hat uns in eine Position gesegelt, aus der heraus wir ohne Kreuzen die Bermudas erreichen könnten. Zumindest, wenn der Wind nur bis 300° zurückdreht. Es wird ein knapper, spannender Tag!

Gegen 10:00 Uhr wird dann klar: Der Wind steht durch, wir werden heute die Bermudas erreichen! Hurra! Es ist zwar ein ziemliches Gehackel so gegenan. Aber es lohnt sich! Eine Nacht weniger auf See. Am Ende dann können wir sogar ein ganz klitzekleines Wenig abfallen. Und schon laufen wir mit Spitze 6,8 Knoten.
30 Meilen vor Bermudas rufen wir „Bermuda Radio“ auf UKW. Habe zwar keine Hoffnung, dass wir mit der Not-Antenne so weit kommen, aber der Form halber…. Und: Sofort meldet sich Bermuda Radio. Wir sind etwas gestört, aber hören gut. Und da der Tod und Teufel wissen will (welche Rufnummer hat Ihr Iridium, wann wurde die Rettungsinsel das letzte Mal gewartet?) möchte er uns klarer verstehen. Also gibt er die Anweisung: Bei 20 Meilen noch mal!

Zwischenduch das „erlösende“ Ereignis: Wir haben wieder Internet. Anfangs noch schwach und langsam. Aber mit jeder Meile besser. WhatsApp ist mal wieder der Erste und wir werden überflutet. Mails kann ich dann abrufen: 73 trudeln ein und wollen gesichtet werden. Die Travel-Authorisation will den PCR-Test hochgeladen bekommen. Als der Link endlich funktioniert fehlt die Möglichkeit, die Dokumente hochzuladen. Aber „submit“ funktioniert und ich bekomme die Meldung: Erfolgreich hochgeladen. Nur WAS? Nichts?!

20 Meilen bis zu den Bermudas, nächster UKW-Anruf. Wir geben alles Mögliche durch, aber nun ist er für uns so gestört, dass wir immer wieder nachfragen müssen. Das nervt ihn. Und so bekommen wir die Anweisung: Ich sehe Euch im AIS, ich melde mich für die weiteren Fragen. Was dann nicht geschieht. Bei der Ansteuerungstonne melden wir uns, eine andere Stimme gibt uns den – wirklich recht engen – Kanal in die Lagune von Saint George frei und hat: KEINE Fragen. Ist wohl beim Wachwechsel nicht übergeben worden, dass wir noch nicht fertig sind. Und dabei hatte ich auch unsere Rettungsinsel-Daten rausgesucht! Nur die Zusatz-Anweisung: Fahren Sie an die nord-östliche Ecke von Ordnance Island.
Und als wir uns dem nähern stehen schon zwei uniformierte Gestalten da an einem schönen Holzanleger. Langsam nähern wir uns, werden fröhlich begrüßt: Ja, sie warten auf uns! Nehmen die Leinen an. Halten ein kleines Schwätzchen und erklären dann, was wir alles an Papier mitzubringen hätten. Und: „Das da ist unsere Tür.“ Keine 20 Meter weiter. „In 5 Minuten?“ - „Ja, alles klar!“

In langer Hose und Hemd (ich), Frauen sehen ja in allen Sachen immer ok aus, wuseln wir dann hin. Sie ist bester Dinge. Und verteilt Formulare: Ach das hier – Michèle solls ausfüllen, und das hier: Macht doch einfach mal der Skipper. Und das hier, ach, wenn’s klappt, dass sie Zwischenfragen stellen darf, dann füllt sie es aus. Es wird gescherzt und ausgefüllt. Beim großen Finale kommt es dann doch noch dicke: Covid-PCR-Test? Ja, haben wir. Oh wie super! (Hat von den einlaufenden Yachten wohl nicht so jeder….) Nur: Den habe ich nicht dabei. Also auf Schiff, Computer holen und vorzeigen. Neee, das müsste von den Bermuda-Authoritäten kommen und eine TA-Number sein. Das erinnert mich an die Vorbereitungen. Sollte das die Travel-Authorisation sein? Ja, ja! Ok – noch mal an Bord, die Nummern holen. Habe ich nur handschriftlich und die haben die PCR-Test-Ergebnisse angeblich nicht erhalten. Hatte ich bei der Anfahrt ja versucht. Also: Nun wird’s schwierig! Bestimmt! Der zweite Mann im Hintergrund schnappt sich meinen Zettel, sie kassiert noch 83 Bermuda-Dollar = 83 US$. Und dann meldet er: Alles klar. Sie gibt die Anweisung: Nehmen Sie „Q“ runter. Das ist die gelbe „Quarantäne-Flagge“, die man beim Einlaufen in ein neues Land setzt, um anzuzeigen, dass man noch die Formalitäten erledigen muss / will. Und heißt uns ein letztes Mal herzlich willkommen. Nun sollen wir mal schön essen gehen und dann die Insel erkunden. Hurra! Nicht so billig wie auf den französischen Karibik-Inseln, aber sehr, sehr nett!

Wir verlegen noch einige hundert Meter in das nächste Ankerfeld, versuchen an einer Mooring-Tonne fest zu machen. Gelingt nicht, also wieder ankern. Und: Feierabend! Abendessen fertig kochen, Sundowner, wahlweise auch Ankunftsschluck und runter kommen! Tageschau gesehen: In der Ukraine droht Putin jetzt, Atomwaffen einzusetzen. Wir sind uns einig: Damit würde er – für uns – eine rote Linie überschreiten, die die Welt nicht hinnehmen darf. Da müsste die gesamte Welt ihm wirklich ernsthafte Konsequenzen in Aussicht stellen. Und die geringsten wären, der Ukraine auch Atomwaffen zur Verfügung zu stellen. Denn wenn er damit durchkommt, dann weiß er, dass er woanders das auch machen kann. Ich denke, die baltischen Staaten und viele andere ehemaligen Satelliten wissen schon, warum sie ein wenig Angst haben, die Finnen und die Schweden diskutieren ja auch einen NATO-Beitritt. Es war halt ein wunderschöner, friedensbewegender Entschluss, die Besetzung der Krim zu akzeptieren. Jetzt müssen wir diesen Teil der Friedensdividende bezahlen! Shit – die Welt hat uns wieder…